der Alte Wandrahm.
Rahm in Hamburgs Straßen ist keine Sahne, es ist ein Rahmen aus Holz, auf dem Stoffe nach dem Walken und Färben zum Trocknen gelegt wurden. Das geschah in einem Rahmenhof. Die Wandbereitung war das Gewerbe der Tuchhersteller. Es gab bis zum 19. Jahrhundert sogar eine Wassermühle zum Walken (von Wolle) und Pochen (von Flachs). Die Poggenmühle wurde aber schon 1865 abgerissen.
Im alten Wandrahm ist jetzt eine Blindenschule. Keine Schule, in der Blinden lernen, mit der Realität der Sehenden umzugehen, sondern wo Sehende lernen, wie man sich in der Welt der Blinden zurechtfinden kann. Wenn ich das im Internet nachlese, bekomme ich gleich einen Widerwillen. Wieso sollte ich, die ich doch sehen kann, jetzt so tun als wäre ich blind? Vielleicht sehe ich nicht mehr ganz so scharf, in der Ferne sehe ich verschwommen, aber oft ist es besser, wenn man die Leute nicht so genau sieht. Und ich habe ja eine Brille, für den Straßenverkehr und so, abends. Was soll ich dort?
Der Name der Schule „Dialog im Dunkeln“ macht es nicht besser. Dialog heißt Austausch, aber wenn man doch nicht sieht, wer da vor einem steht oder sitzt oder sonst was? Wie stellt man sich auf einen Gesprächspartner ein, den man nicht einmal sieht? Und was tauscht man dort aus!?
Ich merke, dass ich anfange, Ausreden zu erfinden. Vielleicht kann ich statt dessen zum Hamam gehen, der liegt in der Nähe und dort war ich schon. Dort kenne ich mich aus. Es ist da auch halbdunkel, vielleicht reicht es, um die Sinne zu prickeln. Der heiße Stein, die kräftige Rubbelmassage, das Einseifen, die herrlichen Wolken von duftendem Schaum, die Güsse warmes Wasser, die freundliche und herzliche Türkin, der Tee, die Ruhe…
Statt dessen soll ich blind durch einen Parcours tapsen. Ohne zu wissen, wo ich bin, mit wem, und was ich tun soll. Mir wird richtig schlecht.
Dieser Widerstand, dieses Ablehnen interessiert mich jetzt. Habe ich Angst davor? Ist es eine Bedrohung, etwas nicht unter Kontrolle zu haben? Habe ich Bedenken, mich führen zu lassen?
Wieso wehre ich mich dagegen, einen der Sinne auszuschalten und den anderen mehr Raum zu geben?
Also gut. Da man jeden Tag etwas tun sollte, was einem Angst macht, entscheide ich, einen Termin beim „Dialog im Dunkeln“ zu machen. Und ohne weiter nachzudenken dorthin zu gehen, am liebsten jetzt gleich. Ich werde berichten.
Der Hamam ist auch noch da, wenn der Herbst kommt.
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