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Autorenbildkatelijne7

Wo bleibt die Lust?

Das Pangolin ist das einzige Säugetier der Erde mit Schuppen. Es rollt sich bei Angst oder Gefahr schnell zusammen und sieht dann wie ein Tannenzapfen aus. Wenn es sich sicher fühlt, läuft es flink wie ein kleiner Dinosaurier auf den Hinterbeinen, sich mit dem Schwanz abstützend und die Hände nach vorne streckend. Am Mittelfinger und Ringfinger hat es lange Fingernägel, es muss klettern und graben können. Es frisst vor allem Ameisen. Die Zunge ist rund, klebrig und bis zu 70 cm lang, sie kommt in jedes Ameisennest hinein.

Das Pangolin hat Hornschuppen.

Sobald Horn im Spiel ist, ist ein Tier bedroht. Denn Horn könnte ja eine aphrodisierende Wirkung haben, es ist ein Bestandteil fragwürdiger Medizin. Horn soll die Lust wecken, es soll jünger und leistungsfähiger machen. Dafür sind wir Menschen bereit, die moralischen Überlegungen über Bord zu werfen. Das wurde schon dem Nashorn zum Verhängnis. Zur Zeit ist das Pangolin eins der meistgeschmuggelten Säugetiere der Welt. Auch sein Fleisch wird verkauft, es wird sogar als Delikatesse gehandelt.

Wie ist das mit der Lust? Irgendwo, weit in der Erinnerung, gab es sie mal. Man gräbt danach, hebt sie aus der Vergessenheit, betrachtet sie mit einem unwillkürlichen Schaudern, denn ja, sie war mal mächtig und groß. Sie hat mal unser Leben bestimmt. Dort liegt sie nun, ein Fossil auf der klarlackierten Fensterbank. Durch das niedrige Sprossenfenster kommt zögerlich das gefilterte Winterlicht hinein. Man hat dicke Socken an, trinkt Tee und sitzt an diesem Fenster, während man das Fossil betrachtet. Man sieht sich die Lust an. Den Ammoniten, den Bernstein mit Mücke, den Halbedelstein, grün-graulich.

Ein Fossil muss mindestens 10.000 Jahre alt sein, sonst heißt es anders.

Aber die Lust ist nicht dazu da, kontempliert zu werden, sie darf nicht verstauben. Sie will die Freiheit, sie will das Leben, sie will alles. Sie ist kein Fossil, sie gehört nur bedingt ins Museum, man darf sie nicht in einen Hornschuppen einsperren.

Das Pangolin wird bedroht, denn man will seine Haut, es wird in China auf verbotenen Tiermärkten gehandelt. Es trägt oft Viren in sich, die für den Menschen richtig gefährlich werden können. Viren, die sich rasend schnell verbreiten und dafür sorgen können, dass die ganze Welt ins Chaos stürzt.

Es ist ein schönes, elegantes und raffiniertes Tier, das in Ruhe gelassen werden will. Denn es möchte nur ein bisschen graben, Ameisen essen und unauffällig wie ein Tannenzapfen zusammengerollt am Waldrand überleben.

Als ich heute Mittag versehentlich den Wäscheständer auf ein kleines Loch im Gras gestellt hatte, dauerte es keine 2 Minuten, bevor eine Wolke von Hummeln sich tief über dem Boden formte. Wo kamen die plötzlich her? Sie bewegten sich kreuz und quer vor meinen Füßen, ohne dass ich mir ein Nest in den Bäumen vorstellen konnte. Das hätte ich doch gesehen?

Erst als ich den Wäscheständer wieder verrückte, sah ich das Erdloch. Die Hummeln tauchten eine nach der anderen dort hinunter. Sie verschwanden einfach in den Boden. Ich konnte es nicht glauben, wo wollten sie hin? Seit wann graben Hummeln Löcher?

Ich habe es nachgelesen. Sie besetzen die Wohnungen der Maulwürfe oder Mäuse. Bis zu 500 Hummeln können zusammenwohnen.

Jetzt denke ich an Dittsche, der in einem seiner Auftritte über den Großmaulwurf spricht. Ich weiß genau, was er meint. Ganz früh im Jahr kommt eine begattete Königin, sie besetzt ein Haus, wahrscheinlich das eines Großmaulwurfs. Sie legt ihre Eier ab, sie kümmert sich alleine um ihre erste Brut. Bis zum Frühsommer züchtet sie ein ganzes Volk heran.

Es ist die Königin der dunklen Erdhummeln. Eine Sorte, die heutzutage sehr gefragt ist, um Tomaten zu bestäuben. Das hat man jahrelang von Hand gemacht, Kosten ca. 10.000 Euro pro Hektar. Ein Belgier hat 1985 herausgefunden, dass die Hummeln es viel besser und günstiger können. Sie sorgen für eine erfolgreichere Befruchtung und somit für größere Erträge.

Die dunkle Erdhummel ist relativ sicher, dort tief unter der Erde. Ich stehe vor dem schwarzen Loch und staune über die Menge an Tieren, die hineinfliegen. Ich lese jedoch, dass auch im Maulwurfbau Gefahren drohen. Es gibt zum Beispiel ein Schmarotzervolk, das besetzte Häuser für sich einnimmt, wo immer es geht. So kann es sein, dass die Hausbesetzerin und ihre Nachkommen von einer weiteren Hummelsorte vertrieben werden. Die Bauten werden unterwandert, die Bewohner verjagt und die neu eingedrungene Sorte macht es sich dort gemütlich. Darf ich vorstellen: die Keusche Kuckuckshummel.

Ich suchte eigentlich nach einem Aphrodisiakum.

Das Pangolin muss ich leben lassen, seine Schuppen brauche ich nicht, das Fleisch ist eine Delikatesse, die mich nicht verführen wird. Das Tier hat seinen Festtag übrigens am 3. Samstag im Februar.

Das war in diesem verhängnisvollen Jahr 2020 der 15. Februar. Gefeiert wurde im Skiurlaub. Es wurde auf Tischen und Bänken getanzt, es gab ausgiebigen Körperkontakt, das COVID-19 Virus konnte sich rasant verbreiten. Kaum jemand hatte etwas von dem Pangolin gehört, Hauptsache Party.

Das Tier muss es mitgekriegt haben, es muss ihm wie Schuppen von den Augen gefallen sein. Das, was es da gerade anrichtete, ließ die ganze Welt erstarren.

Aber das war nie die Absicht gewesen. Zu spät! Höchstwahrscheinlich wird man nie wieder so ausgelassen feiern können, am internationalen Pangolintag. Gerade jetzt, wo doch für 2021 die Zehnjahresfeier geplant war. Es ist fraglich, ob jemals noch gefeiert werden darf, überhaupt.

Sogar für ihn persönlich könnte die Situation ein gravierender Rückschlag sein.

Auf der Liste der süßen Tiere wird es wieder einige Plätze tiefer sinken. Es wird noch mehr gejagt werden, denn man vermutet ein aggressives Virus in seinem Körper, in seinem Fleisch. Es werden sogar Stimmen laut, die meinen, man sollte es gänzlich ausrotten.

Das darf natürlich nicht passieren. Wir sind nicht gezwungen, Pangolin zu essen. Die Konsequenzen davon spürt nun die ganze Welt.

Ein Tannenzapfen liegt am Wegesrand in einem Tiroler Märchenwald. Die Landschaft um ihm herum ist sehr still, man hört nur das Rauschen des Windes.

Der Tannenzapfen bewegt sich kaum wahrnehmbar, aber wenn man sehr aufmerksam zuhört, merkt man, dass er ganz leise seufzt.

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