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Saubere Strände

Milena findet es eine gute Idee, im Winter die Strände aufzuräumen. Es ist unfassbar, wie viel Abfall auf der Insel liegt. Eugenio antwortet, Schuld sei die Mafia, die die Müllentsorgung kontrolliere. Wenn ihnen etwas nicht passe, werde der Müll einfach liegengelassen. Und überhaupt, es handle sich hier nicht nur um italienischen Müll. Aus dem Norden, vor allem auch aus Deutschland, das eins der Länder ist, das am meisten Müll produziert, werde gegen Bezahlung Müll abgenommen, um ihn dann hier billig zu entsorgen. Er wird vergraben oder ins Meer versenkt, und nicht nur Plastikflaschen. Radioaktives Zeug, Chemieabfälle. Ganze Gegenden auf Sizilien seien verseucht. Flüsse stinken, und der Meeresboden liegt voller hochgiftigen Abfalls.

Ich sehe ihn an. Kann man überhaupt etwas dagegen tun?

Die Strände von Plastikflaschen befreien schadet ja nicht, sagt er. Aber Müllvermeidung und strengere Kontrollen wären sehr viel effektiver.

Wir trinken Espresso in der Bar gegenüber vom Supermarkt, ich sehe mir die Menschen an, die mit ihren Einkäufen rauskommen. Fast jeder hat Wasser in Plastikflaschen dabei, die Lebensmittel wurden an der Kasse in Tüten verpackt. Es ist überall, meint Milena, sogar hier in unserer Bar. Die Verschmutzung der Ozeane fängt hier an. Hier, wo wir sitzen. Sie zeigt auf die kleinen Plastikbecher mit Wasser, die man beim Espresso dazu bekommt. Milena ist Germanistin und eine großartige Kite-Lehrerin. Im Sommer lebt sie am Strand.

Eugenio zündet seine selbstgerollte Zigarette wieder an, die im Wind ausgegangen ist. Er wohnt in Palermo, muss sogar den Kaffee mit Flaschenwasser zubereiten. Was er in seiner Wohnung hat, ist nur Regenwasser. Das benutzt er zum Kochen. Alles andere kommt aus den Anderthalbliterflaschen. Der Plastikmüll ist natürlich ein sehr großes Problem, sagt er. Wasser sollte wenigstens in 10-Liter-Kanistern abgefüllt werden.

Immer wenn das Wetter schön ist, kommt er in dieses Dorf an den Strand. Dann kitet er ein bisschen, trinkt Kaffee, raucht und sieht in die Ferne. Ob er mitmachen will, wenn wir die Strände aufräumen? Er nickt und zündet mit seinen braungebrannten Händen erneut den Zigarettenstummel an. Seine verfilzten Haare sind mit einem Lederband zusammengebunden.

Am Nebentisch sitzen drei junge Frauen, sie haben schwarze Leggins und T-Shirts an und reden davon, dass eine von ihnen Ende der Woche nach Mexiko fliegen wird. Wer kommt noch mit? Wo trifft man sich dort? Die Reise wird nach Guatemala weitergehen. Die beiden anderen Frauen überlegen noch. Mal sehen, Mexiko ist nicht schlecht.

Aber Sizilien ist wunderschön, bemerkt Milena. Sollen wir nicht erst hier aufräumen, bevor wir in die Welt weiterziehen?

Wir sehen zu, wie ein UPS-Lieferwagen anhält und wie der Fahrer aussteigt und schnell und laut zu telefonieren anfängt. Ist etwas passiert? frage ich beunruhigt. Er hat vielleicht einen Hund überfahren! Die streunen hier ohne Halsband herum, wie am Strand, manchmal bellen sie die Autos an und schnappen nach den Reifen. Ein Wunder, dass keiner tot am Straßenrand liegt.

Nein, das ist für Gianmaria Coccoluto, sagt Milena. Den besten Kiter Italiens.

Ein alter, klappriger VW-Bus mit der Aufschrift Coccoluto kommt angefahren, er hält neben dem UPS-Transporter und ein Mann steigt aus. Er hat die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und eine Sonnenbrille auf. Er übergibt dem Fahrer ein Paket, das die Größe und die Form eines Kiteboards hat, was denn sonst. Er ruft über die Straße, ciao Milena, cara, ciao Eugenio. Ein Weltmeister auf Flipflops.

Es ist mein Rückreisetag, ich sehe in den blauen Himmel, es weht ein leichter Nordwind, es riecht nach einem fernen Feuer auf den Feldern. Ein Kaffee zum Abschied. Und ein Anfang, ein Projekt. Was braucht man, um Plastikmüll einzusammeln? Große Container und eine Möglichkeit, ihn richtig zu entsorgen. Ich werde meine Tochter fragen, sie ist gerade in Norwegen und segelt von Insel zu Insel, um die Strände von Abfall zu befreien. Zum Glück sieht sie die Strände hier nicht.

Es kommen einige junge Leute aus dem Supermarkt, die sich zu den Reisefrauen an den Tisch neben uns setzen. Sie begrüßen sich mit Ellbogen. Verstehst du das, bemerkt Eugenio, das ist doch die Stelle, in die man niesen sollte und die man nie desinfiziert. Das stimmt, überlegt Milena, man kann sich genauso gut küssen. Sie sieht Eugenio an, er lacht. Ich verabschiede mich, mit dem Versprechen, im Februar zurückzukommen. Dann räumen wir diese Insel auf, damit haben wir einiges zu tun. Später können wir immer noch nach Mexiko.

Der Wind ist schon kühler als an den vergangenen Tagen, ich freue mich, Sizilien bald im Winter zu besuchen. Oder im Vorfrühling, wenn das Licht wieder kommt. Wenn die Luft voller Versprechen ist. Februar, denke ich, Februar ist ein guter Monat.

Vielleicht darf man dann auch wieder küssen.

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