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Montagmorgen

Ich trinke argentinischen Rotwein, ein Geschenk von Ella & Huug, es ist 01:48, das heißt, fast 2:00 am Montagmorgen und ich konnte nicht schlafen. Der Wein ist aber gut, und wieso sollte ich schlafen.

Der Amerikaner oben hat eine Freundin zu Besuch, sie sind laut. Um fair zu sein: er hat angekündigt, seine Freundin kommt zu Besuch, es kann laut werden. Erst dachte ich, Angeber. Aber jetzt hört es sich an, als hätten unsere Hauskatzen Carbon und Copy einen Kampf auf Leben und Tod. Ich habe noch nie solche Geräusche gehört, aber gut.

Wenigstens habe ich den Wein.

Ich war am Sammstagabend mit Heidi im Theater, das Stück ging 4 Stunden, wir waren ganz schön fertig danach. Die Schauspieler waren Weltklasse, das Stück schwer und schrecklich. Aber man fragt hier nicht nach einer Rezession. Da wir nach der langen konzentrierten Theaterzeit mit Brille auf der Nase und Programmheft in der Hand Hunger und Durst hatten, sind wir nach oben gelaufen, um etwas zu trinken. Ich habe lang nicht mehr solchen schlechten Weißwein getrunken wie da im Theater. Vor allem, die Bedienung machte die Gläser so voll, dass man sich kaum noch zum Stehtisch bewegen konnte, ohne ihn zu verschütten.

Wenn man dann der Freundin ein Glas gibt und mit ihr anstößt, ist es total enttäuschend, wenn der Wein so daneben ist. Was ist das? Wo kauft man so etwas?

Ein Blick aufs Essen, Nudeln, die auf Untertassen serviert werden, glitschig sind und eine Garantie für einen unauswischbar uneleganten Auftritt in Hamburgs Theaterscène, genügt, um den Abflug anzutreten. Wir gehen noch kurz zur Kunsthalle, dort ist ja Party und bestimmt auch noch etwas zu essen.

“Nein”, sagt der Chef, “alles ist schon weggepackt”, er hebt den Blick und begegnet zwei Paar hungrigen Frauenaugen. “Oder warten Sie mal, -Jungs, gibt es noch Brot? – hier haben Sie noch eine Tomatensuppe”.

Nie hat mir eine Tomaten-Ingwersuppe besser geschmeckt. Dankbar haben wir die Suppe angenommen und gegessen. Ein Typ hinter der Teke, der die Flaschen mit einem Schopflöffel aufgewuchtet hat, bekam von uns noch einen Flaschenöffner. Es war ein lilafarbener Gecko, der an meinem Schlüsselbund hing und schon Jahren auf ein Ziel gewartet hat.

Heidi und ich haben uns noch in der Position des Wanderers fotografieren lassen, dann haben wir uns auf dem Innenhof der Kunsthalle zwischen den anderen Jugendlichen auf dem warmen Steinboden gesetzt, die Nase in den Wind gehalten und über die schöne Stadt geblickt. Die Schuhe aus, die Füße baumeln lassen, 2 Uhr. Die Nacht war warm, es wehte ein leichter Wind.

Sonntagmorgen ist alles ganz ruhig. Den Kaffee habe ich bei Thörnqvist gefunden, eine völlig neue Erfahrung. “It’s a fruit!” jubelt er. Damit ist wohl die Kaffeebeere gemeint, die natürlich keine Bohne ist.

Voilà.

Dazu steht alles im Internet, ich bin wohl nicht die Einzige, die komplett vom Hocker ist. Dieser Typ! Dieser Kaffee! So etwas habe ich noch nie gesehen. Gehen Sie hin und hören, sehen, riechen und schmecken Sie selber! Linus bekommt Hilfe von Kimani, ein 20-jähriger Chemiestudent, der das Händchen dafür hat, den Kaffee präzise abzuwiegen und alchemistisch zu verarbeiten. Dabei lacht er und liebt seinen Job. Vorher war er bei einer großen Kette, er schätzt hier die Nähe zum Kunden und die Verantwortung für das perfekte Getränk. Und den coolen Ort.

Linus hat das Café seiner finnischen Großmutter gewidmet, Marianne Thörnqvist, in loving memory, wie unten auf dem Aushängeschild an der Straße steht.

Der Sonntagnachmittag fließt ruhig und besonnen weiter. Bis Mario vor meiner Tür steht. Er ist durch den Vorwerkstift gestiefelt und hat “Hallo- ist da jemand!!!-“ gerufen. Ich komme aus meiner Tür und meine ja, klar, jemand ist immer da. Mario sucht seinen Schulfreund Kurt, der in der Marktstraße 100 wohnt und an Harleys schlüsselt.

Aha. Den gibt es nicht auf der Marktstraße 100, das weiß ich, aber ich ziehe mir trotzdem die Schuhe an und komme mit, auf der Suche nach Kurt. Was soll’s. Natürlich finden wir ihn nicht, wir kämmen das ganze Karo-Viertel aus, finden eine Spur, er soll jetzt ein Geschäft auf St.- Pauli haben. Das feiern wir, wir trinken ein Cidre im Karo-Eck. Lecker, herb, leicht und genau richtig. Marios` Sohn kommt auch dazu, er wohnt in Hamburg, kennt aber den Kurt nicht. Ich verspreche, ihn aufzuspüren, bin ich doch nächste Woche in St. Pauli. Beruflich. Und zwar einen ganzen Monat lang, in der Hausbar des Schmidt-Theaters. Mario sagt, ich soll ihm Bescheid geben, wenn ich Kurt gefunden habe, ich denke, klar, den habe ich sofort.

Wir verabschieden uns, Mario sagt noch “die Welt ist Klang, Nadabhrama”. Das muss ich mal googeln, jetzt denke ich einfach nur, ich dich auch.

Da ich jetzt bald zum Bürgermeister von Bergedorf muss, und der Amerikaner oben wieder mit der Freundin seine Übungen anfängt, und die Uhr 2:11 meint, werde ich ins Bett gehen. Ach ja, die Hausbar von Schmidts Tivoli: am 15.9 werde ich dort etwas über ein Schlossgespenst vorlesen. Man sichtet es ab und zu, zwischen 5 und 6 morgens in St. Pauli. Vielleicht sehen wir uns. Ich würde mich freuen

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