Gestern auf dem Rathausplatz eine Frau getroffen, nennen wir Sie Gretel.
Gretel spricht:"Ich will nicht mehr, 30 Jahre Berlin, 50 Jahre Hamburg jetzt gehe ich auf s Land zu meinen Freunden in ein sächsisches Dorf. Ohne Roller, Fahrräder und rücksichtslose Menschen. Ja, ja, können Sie ruhig schreiben, schreiben Sie einfach alles auf. Ich bin hier sowieso bald weg. Rücksichtslos, so empfinde ich die Menschen. Die rasen einen um, drängen einen weg. Mein Gott ich bin 80 Jahre alt." Sie senkt ihre Stimme, leise sagt Sie: "Ich bin einsam in Eppendorf. Ich habe Corona auch nicht als schlimm erlebt. Meine Einsamkeit vor Corona ging während Corona und nach Corona weiter." Wir gehen zusammen einen Kaffee trinken. Sie erzählt weiter:"Wissen Sie, vor einigen Jahren habe ich mich zur Hospiz Begleiterin ausbilden lassen. Ich habe da schlimme Erfahrungen gemacht." Ihre Sätze werden kürzer und abgehackt. "Die Zustände in den Pflegeheimen, in den Krankenhäusern, ein Grauen. Ich habe viel nachgedacht. Auch weil man während Corona nicht viel mehr machen konnte. Ich habe beschlossen wegzugehen. Wenn ich ein Pflegefall werde, so nicht, verstehen Sie? So nicht. Es ist schrecklich." Wir schweigen. "Ich habe einen Mann mit einem amputierten Bein betreut, der hatte schreckliche Schmerzen, Amputaions Schmerzen, und das Palliativ Team kam nur einmal am Tag. Ich durfte ihm nichts geben. Die wussten er stirbt in den nächsten Tagen, die wussten es. Aber sie haben ihn immer warten lassen, ihm einfach zu wenig geholfen. Wenn man Schmerzen hat, dann sind 20 Minuten eine Ewigkeit." Sie lacht und schüttelt ihre Haare. "Jetzt habe ich Umzugshorror, muss ja auch alles vorher sortieren. Da habe ich plötzlich Dinge in der Hand, die habe ich 40 Jahre nicht mehr gesehen, die können jetzt auch weg, habe sie ja anscheinend nicht vermisst. Ich gehe weg, aber es fällt mir schwer Hamburg zu verlassen, obwohl die Stadt sich sehr verändert hat. Schreiben Sie es alles auf, ja?"
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