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Autorenbildkatelijne7

Ganzheitlich

Entdecken Sie bei uns immer mehr alte Getreidesorten!

Ich sehe die Brottüte an. Was will sie mir sagen? Normalerweise steht auf einer Verpackung neu! Der Mensch ist neugierig, das liegt in den Genen. Er ist anpassungsfähig, draufgängerisch und risikobereit. Die Evolution der Menschheit geht weiter, nicht zurück. Noch nie.

Aber eine Krise bringt unsichere Zeiten mit sich, dann sucht man manchmal Halt in der Vergangenheit. Daher ist auch gerade überall die Hefe ausverkauft. Man will jetzt sein eigenes Brot backen, wenigstens theoretisch. Mit alten Getreidesorten.

Brot backen weckt Sehnsucht, ein Verlangen nach vergangenen Zeiten. Die Familie, die sich um den Tisch versammelt, das frische, duftende Brot. Das einfache Landleben von damals. Der verklärte Blick auf die Dinge.

Dabei gibt es Fachleute, die es viel besser können. Sie haben es gelernt, geübt, haben das Material und nehmen die Verantwortung auf sich. Man kann Ihnen vertrauen. Laufen Sie ruhig zu Ihrem Bäcker, er freut sich. Er kann auch erklären, was es mit den alten Getreidesorten auf sich hat.

Diese Sorten wie Emmer und Einkorn sind widerstandsfähiger und enthalten mehr Mineralstoffe und Vitamine. Sie wachsen anspruchslos auf ärmeren Böden und lassen sich dabei Zeit. Sie werden nicht so schnell krank, reifen langsam und brauchen viel Platz. Der Ertrag ist nicht so hoch wie bei den neuen Züchtungen für den industriellen Anbau.

Ich lese über ein ganzheitliches landwirtschaftliches Konzept in Japan. Es wird Gerste angebaut, geerntet, mit Wasser und Hefe vermischt. Weitere Zutaten werden nicht gebraucht, nur noch Fachkenntniss, Geduld und Zeit. Hier wird kein Brot hergestellt, auch kein Bier. Sondern Whisky.

Seit 1923 gibt es japanischen Whisky. Die Fachleute, die hier ihr Handwerk ausüben, bauen das Getreide an, verstehen die Kunst des Destillierens, sie können sogar Holzfässer bauen.

Ich fühle hier den drohenden Stilbruch, den Unmut der Fans von dem traditionellen schottischen Whisky, dem wahren Whisky, der nachweislich schon seit 1494 dort produziert wird. Hier sind wir wieder bei den alten Getreidesorten.

Lange Zeit haben sie versucht, die Namen richtig auszusprechen, um die Freunde und Feinde zu beeindrucken. Laphroaig. Bunnahaphain. Glenglassaugh. Sie haben sich die Wörter vorlesen lassen. Verschiedene Apps auf dem smartphone unterstützen den unverbesserlichen Whiskytrinker bei der richtigen Aussprache.

Und jetzt drängen sich Chichibu und Kanosuke auf den Markt. Die sollen sogar ganz gut sein. Teuer zwar, aber in feinster Handarbeit hergestellt, ganzheitlich und nachhaltig. Um die 1.000 Euro pro Liter.

Ich habe Verwandte in Schottland, und besuche das Land so oft es geht. Gerade haben wir schottisches Wetter, viele Wolken, immer mal wieder Regen, ganz viel Grün und klare Luft. Es ist Mai, der Whiskymonat. Ich fühle mich in den Highlands. Es ist, als würde ich meinen Onkel Niall hören, wie er in der Ferne Dudelsack spielt.

Eine Bachstelze sitzt vor mir im Gras. White wagtail auf Englisch, Wippsteert in Niedersachsen, was ein viel besserer Name ist. Das Tier wippt fast die ganze Zeit mit dem Schwanz. Gut, es hat auch lange Beine. Verglichen mit einem Spatz schon.

Ein Freund von mir hat Bachstelzen im Schuppen, die damit angefangen haben, ein Nest zu bauen.

Bei dem Paarungstanz ist der männliche Vogel aktiv, er plustert sich auf, nickt heftig mit dem Kopf und mit dem Schwanz und präsentiert sich von allen Seiten. Das Weibchen schaut zu und entscheidet, ob es reicht. Falls ja, legt es sich tief am Boden, senkt den Kopf, lässt die Flügel hängen und stellt den Schwanz auf.

Nach der Paarung suchen beide einen Platz, um das Nest zu bauen. Jetzt wird das Weibchen aktiver. Sie hat die Initiative und entscheidet auch, wo das Nest gebaut werden soll. Das Männchen darf helfen, die Außenseite zu bauen, das Grobe. Der Innenausbau, der das Nest erst weich, gemütlich und wohnlich macht, übernimmt sie selber.

Mein Freund sagt, die Vögel sind wahrscheinlich schon wieder vertrieben worden, weil er im Schuppen zuviel Lärm gemacht hat. Er hat gesägt und geschliffen, angestrichen und geschmirgelt, denn er muss ja nicht zur Arbeit. Er hat jetzt ein Schuldgefühl, denn er hat den Tieren gesagt, dass sie dort sicher seien. Es gäbe nur ab und zu eine Katze, aber sie käme nicht in den Schuppen.

Ich höre mir das an und weiß, dass es nicht so ist. Ich stelle mir gerade das Bachstelzenpaar vor, er nach dem erfolgreichen Balz aufgeplustert und laut, sie in sich gekehrt und schwanger. Sie schickt ihn vor, er meint den perfekten Platz gefunden zu haben, fängt schon euphorisch mit dem Nistbau an. Sie sitzt dort und weiß nicht so genau, sieht sich das Ganze eine Weile an und entscheidet dann, dass es nicht richtig ist. Er soll sofort alles fallen lassen und eine neue Stelle suchen.

Sie will einen guten Ausblick auf die Umgebung haben. Sie will ein Nest, das zu ihr passt. Beim vierten oder fünften Versuch wird es klappen. Er wird erschöpft die Zweige anschleppen, und mit dem Bauen anfangen, windfest, orkanfest, regenfest. Dann wird sie ihn wegschicken, damit sie es einrichten kann und in Ruhe ihre Eier legen.

Ich schalte auf dem Laptop eine Folge vom Tatortreiniger an und schenke mir einen japanischen Whisky ein. Nikka from the Barrel steht auf der viereckigen Flasche, er wird als guter Einsteigerwhisky gepriesen. Ein Geschenk von Lutz. Er braucht einige Tropfen Wasser, zwei oder drei. Die Farbe ist schön, der Geruch ist toll. Aber er ist mir zu stark, ich kann ihn kaum trinken. Ich lasse die Flüssigkeit langsam in den Hals fließen. Es fühlt sich wie eine Maßnahme gegen Corona an. Es schmeckt nach Karamell, Vanille, Kakao.

Ich sehe mir einige besonders guten Szenen ein zweites und drittes Mal an und freue mich über die großartigen Darsteller und über die Kunst, einen Film so zu drehen, dass die Details stimmen. Ich rieche nochmal an den Whisky, atme ein und aus und bin zufrieden.

Ich fange doch nicht an, Brot zu backen.

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