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Elbstrand

Heute bin ich aufgewacht und es regnete. Ich habe tief geschlafen, bleibe noch eine Weile liegen, gucke durchs Fenster. Da es im Vorwerkstift keine Vorhänge gibt, weiß ich, wie spät es ungefähr ist. Es gibt sehr viele Grauzonen. 50 shades of morninglight. Dieses Grau jetzt gerade ist relativ hell. Bestimmt schon 8:30.

Der Mittag ist regnerisch und der Abend auch. Das Grau hat sich über die Stadt gelegt, es fahren viele Autos. Das verändert die Energie. Bei Sonnenschein fahren viel mehr Fahrräder und Roller, die Bewegungen sind kleiner und wendiger, die Farben wechseln schneller, die Geräusche sind feiner und höher. Man hört Stimmen, man hört Leute lachen und rufen.

Wenn die Autos die Straßen übernehmen, bewegt sich die Stadt träger, schwerer, dunkler in schwarz, weiß, grau.

Ich nehme meine Sammlung Fotos aus 1889 und schaue sie an. Neumühlen. In Hamburg gab es total viele Mühlen, klar, mit so viel Wasser, wie in Holland. Es gab eine Mühle an der Lombardsbrücke, eine an der Reesendammbrücke, die ist nach dem Müller Heinrich Reese benannt worden. Jetzt also Neumühlen, dort gab es zuerst eine Pulvermühle, die explodiert ist, und dann eine Ölmühle. Die sieht man auf dem Bild. Sonst sehe ich dort einen Strand, und einige Personen, stilvoll gekleidet, mit Mantel und Hut. Es gibt dort viel Wald und ganz stilles Wasser, keine Wellen. Einige Holzboote.

Der Regen ist weniger, nur noch ein Hauch, ein feiner Sprühregen, der die Haut streichelt. Ich fahre an der Elbe entlang, am Fischmarkt vorbei, beim alten Lotsenhaus stelle ich das Fahrrad ab und gehe über den Strand weiter. Ich telefoniere mit einem Freund, der auf einer sonnigen Insel ist und Geburtstag hat, er hört die Wellen rauschen. Bei mir. Hamburg, sage ich, und ja, Regen. Er lacht und sagt, er mag meine Geschichten.

Ich setze mich in die Altonaer Milchhalle, die jetzt Strandperle heißt. Immer wenn ein Schiff vorbeikommt, gibt es Wellen. Am anderen Ufer sind unglaublich viele Container. Jona sagt, er macht einen Termin mit der Chefin, ich soll morgen Mittag mal wieder vorbeikommen. Das ist gut, denke ich, vielleicht hat sie eine Geschichte für mich. Und ich freue mich, morgen auszuschlafen, zum Frühstück zum Fluss runterzugehen und übers Wasser zu sehen, Füße im Sand, Wind im Haar. Schiffe gucken.

Nebel legt sich über die Elbe. Die Luft ist fast sauber gewaschen. En silbriges Grau hängt im Himmel, die blasse Sonne lässt sich vermuten, hinter den Wolken. Die Kräne am anderen Ufer zeichnen sich nicht scharf und klar gegen den Himmel ab, sondern wie Bleistiftzeichnungen, verwischt und vage.

Dieser Moment, an dem der Tag geht, die Nacht aber noch nicht da ist. An dem der Regen fast aufgehört hat, aber die Sonne es nicht mehr durch die Wolken schafft. Diese Stadt, die nass und grau ist, sich nicht entscheiden kann, ob sie eine große Feier anrichten soll oder schmollend die Lücken zuklappt. Die aber dennoch immer einige Lichter brennen lässt für den Reisenden, der vorbeikommt, den Weg nicht weiß, sich nicht entscheiden kann. Dieser Moment, in dem Sie reisen und wissen, alles ist möglich.

Dieser Moment ist alles.

Ein Fischreiher segelt durch die Luft, ich bin in einer japanischen Tuschezeichnung. Die Elbe ist dunkel jetzt, einige Striche markieren den Verlauf, sie hat einen Silberrand. Die Bäume haben ihre festen Konturen abgegeben, in der Ferne reichen die Umrisse einer Brücke über den Fluss.

Die Situation macht mich glücklich. Nichts hat sich festgelegt, alles ist möglich. Endgültigkeit gibt es nicht, ich brauche nichts zu entscheiden.

Wenn es dunkel ist, gehe ich zurück. Aber ein Teil von mir bleibt am Wasser, fährt mit den Schiffen, bis nach Japan. Ein Teil von mir zeichnet mit Tusche, Regentropfen.

Grau, das in unzähligen Nuancen schimmert.

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