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Autorenbildkatelijne7

Eine Kiste voller Gold

“Worauf man achten muss, ist dass die Truhe so gebaut ist, dass das ganze Geld da rein passt”, so sagt der Herr beim Spazierengehen zu seiner Begleitung. Sie bestätigt das, indem sie nichts sagt, ihn verschwörerisch ansieht.

Ich überlege, wo die Truhe dann hinkommt, wenn sie erstmal voll ist. Vielleicht wird sie irgendwo vergraben.

Ob es auch in Harburg Piraten gibt? Ich muss das Schloss besuchen, die Horeburg, auf der Schlossinsel. Der eigentliche Kern der Stadt, der am Fluss liegt. Sie wurde also vielleicht auch schon mal von Piraten heimgesucht. Meine Fantasie geht durch. Ich sehe Türme, Brücken, Tore mit Wachleuten, Schatztruhen und Piraten mit einem Messer zwischen den Zähnen.

Ich komme aus dem Bahnhof und gehe zum Rathaus. Renaissance. Es steht an einem schönen Platz mit Bäumen. Das Standesamt hat einen eigenen Ausgang, mit fotogener Treppe, ideal für romantische Hochzeitsfotos. Man geht durch den Konfettiregen und steht auf dem Markt, wo lokale Anbieter Zwiebeln und Kartoffeln verkaufen. Piraten? Fehlanzeige, hier sieht es wie eine verträumte Ecke auf dem Lande aus. Das Rathaus wurde schon ein paar Mal versetzt, denn es war zu nah am Wasser gebaut. Weiter geht’s, Richtung Hafen.

Ich habe heute morgen schon mit Jan vom Abendblatt Kaffee getrunken in der Schanze. Endlich jemand der weiß, was er sagt. Jan ist schon 30 Jahre Reporter, das Wissen, er angesammelt hat, ist unfassbar. Er hat vor allem auch Zahlen im Kopf, und mir wird klar, dass es auch um Zahlen geht. Eine Vorstellung davon zu haben, wie die Verhältnisse sind. Beim Bau der Elbphilharmonie, der A7, bei den Kulturzuschüssen. Insgesamt läuft es ziemlich gut in Hamburg, die Stadt kümmert sich um ihre Leute.

Der ideale Dienstag. Ausschlafen, Kaffee trinken mit einem eloquenten Insider, Geschichten austauschen, mehr Kaffee trinken, sich inspirieren lassen. Eine S-Bahn nehmen Richtung neue Abenteuer. Ein gutes Gespräch zündet, man hat plötzlich tausend Ideen.

Harburg.

Das Schloss ist kaum zu finden, es wurde 1972 abgerissen, was bleibt ist der Keller. Dort gehe ich nicht rein. Aber ich spaziere durch den Hafen, der Pottwal ist zu verkaufen, kostet 30.000 VB, wie ich im Harburger Hafenblatt gelesen habe. Wollen Sie einen Kutter aus DDR-Zeiten kaufen?

Was im Hafen auffällt, ist, das dort richtig gearbeitet wird. Es gibt Werften, es laufen junge Leute in Arbeitskleidung herum, Schiffe werden gewartet, es riecht nach Öl, Rost, Metall, Wasser, Teer. Es gibt noch richtig schöne alte Hafengebäude, ich hoffe, sie bleiben uns erhalten und müssen nicht alle für perfekte Neubauten verschwinden, denn sie machen den Charakter dieses Ortes aus. Die Backsteinmauern mit den alten Fenstern sind genau das, was man im Hafen sehen will. Was dorthin gehört. Die neuen Häusern mit ihrer high-tech Dämmung –klopfen Sie mal auf eine Mauer, Sie hören, was ich meine- haben nicht den Charakter, und schon mal gar nicht die Sinnlichkeit der Backsteinhäuser.

Die Dämmerung fällt über den Hafen und ich brauche noch eine Geschichte, spaziere bei Rosi rein, das ist im alten Fährhaus. Es sitzen 5 Männer am Tresen, sie trinken Bier und Christina ist gut gelaunt, sie singt die Abba-Lieder mit. Ich sitze eine Weile dort, trinke ein frisch gezapftes Astra, überlege, wie ich ein Gespräch anfange und läute die Glocke, die dort an der Wand hängt. Ja! Jetzt drehen alle sich nach mir um. Lokalrunde!

Es wird ein interessanter Abend. Detlev wohnt im Hafen auf einem Schiff, er hat Schleusen in den Niederlanden gebaut und ist 20 Jahre durch die Karibik gesegelt. Ich entscheide, ich habe einen Piraten gefunden. Ich erzähle die Geschichte von den Leuten an der Alster, die sich überlegt haben, welche Kiste sie sich für das Geld bauen lassen sollen. Schulterzucken, das braucht kein Mensch, eine Kiste voller Geld, man braucht nur ganz wenige Dinge zum Leben, sagt Detlev, man soll keinen Besitz anhäufen, das belastet nur und man ist nicht mehr frei.

Es kommen noch einige Leute hinein, sie bestellen Currywurst und Pommes. Mir reichen Pommes, die gut gebacken sind, knusprig, goldgelb, perfekt zum Bier. Oberhalb von meinem Kopf hängen Fischernetze mit Muscheln, Krebsen und Kugelfischen. Aha. Der Kugelfisch. Wir fangen eine Diskussion an, wie man ihn zubereitet.

Martin ist noch nicht so lange im Hafen, er betreut Jugendliche, lädt mich ein, ihn bei Jugend in Arbeit besuchen zu kommen, gibt mir die Anschrift. Das werde ich machen, Jugendarbeit interessiert mich sehr, und eine Einladung zum Kaffee nehme ich gerne an. Christina gibt mir die Kontaktdaten der Stadtteil-Managerin Gitte, wir rufen sie an und machen gleich einen Termin aus, sie kann mir einiges über Harburg erzählen, verspricht sie mir am Telefon.

Heinrich gibt mir noch ein Bier aus, er wohnt hier in der Nähe und schlüsselt an italienischen Motorrädern aus den 70ern. Ich schaue auf seine Hände, es stimmt. Moto Guzzi, sagt er, der Sound. Ich sehe das Ganze vor mir, an den Hafenlotsen entlang, am Wasser, wo leere Fabriken stehen, Anker, Winden und Ketten herumliegen, Fässer aufgereiht stehen, das T-Shirt, die langen Haare, die Jeans, die Stiefel, ölverschmiert, ich rieche es.

Harburg, so denke ich, Harburg, du wilde Stadt.

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