Es ist heute der zweite Tag des zweitägigen schönen Wetters und die Sonne hat richtig viel Kraft. In meinem Büro im Kapitänszimmer mache ich ein Fenster auf und sehe auf die Straße. Tatsächlich, Sonne, Boote, Leute.
Die Harburger Kulturwerkstatt hat auch noch Konferenzräume, es sitzen dort 5 Männer, die etwas besprechen. Sie haben Laptops dabei und sehen sehr konzentriert aus. Sie sind Entwickler. Was sie denn so entwickeln dort? Ich denke an Stadtplanung, an ein tolles Konzept für den Hafen, oder vielleicht einen neuen Beachclub. Mit Sand, Buden und abends Lichterketten überall. So ein Club, wo man sich zum Feierabendcocktail trifft und übers Wasser schaut. Ein Beachclub, in dem man richtig fühlen kann, wo man angekommen ist. Im Süden. Am Südufer der Elbe. Dort, wo die Sonne noch wärmer scheint, dort hinter der Wetterschneise. Dort, wo man leichte Kleider anziehen kann, Cocktailkleider, und durch den Hafen flanieren.
“Software” sagen sie. Sie entwickeln Software. Ah. Schönen Tag noch. Ich gehe zusammen mit ihnen raus, sie setzen sich auf das Mäuerchen im Hafen und sinnieren kurz zur Mittagszeit. Gleich geht es weiter, das Entwickeln ist nie fertig. Und ich? Ich bin dann mal wech, die Sonne ist herrlich, ich habe gerade nichts zu entwickeln, suche Inspiration um Geschichten zu schreiben.
Ich gehe durch die sonnenüberflutete Stadt und treffe überall Grüppchen Studenten, die Sachen tauschen möchten. Sie haben Kisten Bier dabei, alle die gleiche Umhängetasche um und sind gut gelaunt in diesem warmen Herbstwetter, voller Lebensfreude.
Ich versuche, Harburg zu verstehen, brauche einen Überblick. Man muss wissen, wo das Wasser ist, dort ist der Norden. Aber der Stadtplan hat sich bei mir noch nicht eingeprägt. Ich finde es alles ein wenig verwirrend hier.
Ich mache einen Termin mit dem Elbe-Wochenblatt für nächste Woche. Es lohnt sich bestimmt, die Fachleute zu fragen, wie sie diese Stadt sehen. Worauf man achten soll. Denn eine Meinung muss gebildet werden, und das geht am Besten im Austausch. Sichtweisen austauschen, Gefühle ermitteln, Erwartungen wahrnehmen.
Was will man? Was tut man dafür?
Das ist der Anfang. Sie sollten wissen, was Sie wollen. Haben Sie ein konkretes Ziel? Vielleicht liegt es im Detail. Vielleicht müssen Sie ganz zurück, alles reduzieren, bis Sie auf etwas stoßen, das Sie richtig begeistert. Was läßt Ihr Herz höher schlagen? Ist es ein Blick auf die Schiffe in der Abendsonne, getragen vom dunklen, stillen Wasser? Ist es ein handgeschöpftes Papier, das beim Anfassen Ihre Sinne anspricht, und auf das Sie mit einem bestimmten Füller einen Brief schreiben werden? Ist es der Geruch der Heimatstadt, des Herbstlaubes, der Kaffeeröstereien? Ist es ein Computerprogramm, das Sie erfolgreich geschrieben haben? Der perfekte Klang eines Instrumentes? Der Regen auf Ihrer Haut, der Sie sanft streichelt?
Ich habe mir gestern einen Film aus dem Schwarzwald angeschaut. Es ist ein Werbefilm der Firma Saba, Anfang der 60-er Jahre. Sie haben Röhrenradios gebaut. Man sieht in dem Film, wie alles Handarbeit ist, wie die einzelnen Teile gefertigt und von Hand eingebaut werden, bis Klang in der meist ursprünglichen Form entsteht. Purer Klang, aufs Gehäuse abgestimmt, an die Umgebung angepasst, ein Klang, der sich entfaltet und dem Raum Tiefe gibt.
Wenn etwas mit Fachkenntnis entwickelt, gebaut, überprüft, angepasst wird, kann es nur gut werden. Es lebt von der Begeisterung. Von der Liebe zum Produkt. Und das ist nicht schwierig, das schafft jeder. Schauen Sie sich öfter Details an. Wie ist etwas gebaut, wie funktioniert es? Wie fühlt es sich an? Finden Sie heraus, was Sie mitnimmt. Eine Form, ein Geruch, ein Geschmack, ein Klang. Lassen Sie sich darauf ein, lassen Sie sich mittragen, untersuchen Sie, was es mit Ihnen macht. Sie werden sehen, die Stadt wird schöner, die Farben intensiver, die Klänge wundervoller. Sie werden Dinge bemerken, auf die Sie früher nie geachtet haben. Sie werden freundliche Menschen treffen. Kleine Wunder erleben.
So gestalten Sie Ihre Stadt.
Comments