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Das Spiel

“Hier wird richtig was los sein heute Abend” sagt er mir, und seine Kumpels bestätigen das. “Wir erwarten sehr viele Gäste, und ein richtiges Feuerwerk. Wir werden sie gut empfangen, alles ist bereit. Man wird die Gäste bis zum Spiel begleiten”.

Das hört sich ziemlich gastfreundlich an, denke ich. Ich sehe die sechs Männer an. Sie sind in Uniform, orange. Sie machen sauber im Karo-Viertel, alles soll bereit sein für das große Fußballfest.

“Es gibt keinen Alkoholverbot heute im Stadion” sagen sie. “Es wird richtig Randale geben”. Sie stehen in der Morgensonne und leuchten, sind gut gelaunt. Sie sind damit einverstanden, dass wir einige Fotos mit ihnen machen.

Nachmittags gehe ich mal gucken, was so am Stadion los ist, ob das Fest schon angefangen hat. Hubschrauber kreisen über meinen Kopf und Polizeiwagen reihen sich auf, es stehen gepanzerte Fahrzeuge für den Einsatz bereit. Die Mädels und Jungs in blauer Uniform haben beindruckende Schienbeinschoner an, Schutzwesten, Helme. Ich dachte, es gäbe ein Fußballspiel hier. Und das mit BFE Plus?

Ein süßes kleines Kind kommt auf seinem Laufrad an mir vorbeigefahren, es hat ein T-Shirt von St. Pauli an und eine Kappe von Schwammkopf auf. Zweifelnd gucke ich vom Kind zu den Panzerfahrzeugen und wieder zum Kind.

Vielleicht bin ich unterzuckert und habe Halluzinationen. Ich kann später immer noch durch das Schanzenviertel laufen und Leute interviewen. Neutral gekleidet. Oder über die Reeperbahn, um die Meinungen mal richtig kräftig auf den Punkt zu bringen. Auf der Reeperbahn sind die Stadtgeschichten um eine Spur roher, lauter und fetter.

Aber meine Tochter ist zu Besuch, wir werden erstmal etwas essen.

Durch das Krisengebiet schleichen wir uns Richtung Loving Hut. Aber wir kommen nicht weit. Es kommt eine Armee der Karolinenstraße entlang marschiert. Die HSV-Fans, die von Polizisten eskortiert werden. Es handelt sich um ungefähr 3.000 Fans in Jeans. Auch die Polizisten sind blau. Immer wieder gibt es Tumult, wenn einer der Schlümpfe mal wieder sein Halstuch übers Gesicht gezogen hat, dass soll er nicht tun. Er wird vermahnt, muss sein Gesicht zeigen. Beleidigt schießt er eine blaue Wolke in den Himmel. Wir halten an, und sehen uns die sonderbare Parade an. Neben uns steht ein Engländer, William.

  1. is it war?

  2. no, it’s just a game

  3. WTF?

Right. Aber wenigstens singen sie, und sie bewegen sich an der frischen Luft. William zeigt auf die Hubschrauber und sagt zögernd, er dachte, in Deutschland wäre der Klimaschütz ein Thema, gerade diese Woche wäre doch eine große Veranstaltung. Hm. Ich gebe ihm Recht, das hat er richtig gehört. Gesicht zeigen halt. Nun ja, sagt er, er dachte auch, die Deutschen im Norden seien nicht sehr gastfreundlich. Aber das hier wäre doch wohl ein Zeichen von Größe. Die Gäste den ganzen Fußweg zum Fußballplatz begleiten.

Und die Polizistinnen seien sehr hübsch hier. Ja, das bestätige ich. Sie sehen gut aus, sind sportlich, höflich und sie sitzen nicht mit einem tiefen Ausschnitt, einem viel zu kurzen Rock, blassen teigigen Beine und Gin Tonic angetrunken in der Kneipe .

Er weiß, dass es unfair ist, sie mit den Engländerinnen zu vergleichen jetzt, denn diese Damen sind hier im Dienst. Er hoffe nur, dass es nicht zu nervig wird heute Nacht, irgendwann will man einfach ins Bett. Ich nicke schweigend.

Wir verabschieden uns von William und und fahren in die Markusstraße.

Wenn wir wieder zurückkommen, sieht es so aus, als hätte der Blue Port sich in unserem Karolinenviertel verlegt. Die Straßen sind fast leer aber von blauen Lichtern gesäumt, und überall stehen die Einsatzkräfte bereit. Das Spiel wird gleich anfangen, die Heimmannschaft hat alle Gäste reingelassen und die Türen sind zu.

Kann das nicht so bleiben? Kann man nicht einfach das Stadion abschließen und erst morgen mittag wieder öffnen? So dass die da drin sich austoben können und die Einsatzkräfte nach Hause?

Überall stehen plötzlich Händler, die etwas an der Stimmung mitverdienen wollen und Bierdosen zum Verkauf anbieten. In den Kneipen werden später noch die Stühle fliegen. Die Stadtreinigung wird morgen in aller früh die Reste des Fußballfests zusammenkehren. Sie wird die Fans nicht wecken. Es ist sehr lustig, so meinte einer der Stadtreiniger, wenn man eine Sankt Pauli Kappe findet und die dann auf einen HSV Kopf setzt, ohne dass die Person das mitbekommt. Der würde dann einfach in seiner blauen Kluft mit der falschen Kappe weiterschlafen, vor den Toren der Schlachterei, und nicht wissen, welches Risiko er damit läuft. Ja, so denke ich, genau.

William hätte sich gewundert, die Deutschen haben sogar Humor.

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