Hamburg wird von Termiten bedroht.
Sie fressen sich durch die Pfählen des Gerichtsgebäudes und bringen alles zum Einstürzen, das Gericht, die Häuser, die historischen Segelschiffe, die ganze Stadt.
Sie überleben entlang des Fernwärmenetzes und fressen Holz.
Das sagt Bürgermeister Dornquast aus Bergedorf. Nicht wortwörtlich, ich habe die Geschichte ausgeschmückt, denn sie passt gut zu der Geschichte der Schiffsbohrmuschel, die macht das Gleiche, aber im Seewasser. Die Termiten sind genau wie die Schiffsbohrmuschel so raffiniert, die Außenseite des Holzes stehenzulassen, so dass man erstmal nichts schräges vermutet. Bis dann plötzlich alles einstürzt. Es zerfällt wie Staub.
Arne Dornquast hat sein Arbeitsplatz in einer Villa, die zum Bezirksamtssitz umgebaut wurde.
Man hat noch viel vom Interieur behalten, wie das Herrenzimmer und denSpiegelsaal, der mit weiten Flügeltüren zum Park öffnet. Dort stehen prachtvolle Bäume. Man sieht, dass es hier oft genug regnet.
Ich bin von der Wucht des Gebäudes beeindruckt, die Zimmer an sich sind prachtvoll. Nichts passt zusammen. Man bekommt einen Eindruck von einem Bauherr, der nicht genau wusste, wohin mit sich und seinem Geld. Er hätte einen guten, smarten Architekten gebraucht. Ich wüsste einen oder zwei.
Der Bürgermeister erzählt, dass er am Eichbaumsee in den Vierlanden einen Termin hat, um Verkehrsschilder einzuweihen. Aha. Dort gibt es Verkehr. Ja, und zwar ist dort eine Hundeauslauffläche, jetzt gibt es Schilder für mehr Toleranz, damit die Fahrradfahrer und die Hundebesitzer sich nicht bekämpfen.
Ich winke ab, das geht mir zu weit.
Ich notiere: Termiten, Hunde. Noch etwas? Schafe?
Er hat Stadtplanung studiert. Und liebt es, Ideen zu einem handfesten Plan zu kombinieren und den auch umzusetzen. Wenn er verschiedene Punkte hört, fängt es bei ihm zu rechnen an und die Lösung materialisiert sich.
Ja, denke ich, so muss ein Bürgermeister sein. Ein offenes Ohr für seine Stadt, ein zugänglicher Mensch, den man treffen kann. Einer, der sein aufgeräumtes Arbeitszimmer zeigt und auf Punkte und Striche achtet, bereit, sie zu einem Plan zu formen.
Der Pressesprecher, ein Soziologe, erklimmt mit mir die 101 Stufen zum Turm, wir schauen bis nach Hamburg, wir sehen die Elbphilharmonie.
Da will ich hin, ich entscheide, wieder nach Hamburg zu fahren, auf der Suche nach den Termiten. Ich werde zum Gericht gehen, das wurde schon mal von diesen Tieren bedroht, und dort werde ich nachforschen. Die erste Termiten wurden 1937 in Hamburg entdeckt. Aus den Tropen in einer Holzladung eingeschleppt? Dann muss ich zum Tropeninstitut.
Es fängt zu regnen an, ich habe keine Lust mehr auf Termiten. Ich gehe ins Café Paris hinein. Es ist mittags, es stehen einige Leute für einen freien Tisch an, ich setze mich an die Theke.
Dort rede ich mit Hans & Hans. Es geht um Herrenhemden. Sie sind maßgeschneidert.
Hier sitzt nur ein Hans, der andere ist der Geschäftspartner, aber ich weiß nicht, welchen von beiden hier ist, sie haben den gleichen Vornamen.
Geht es noch hanseatischer?
Er ist sehr gut angezogen. Das Hemd sitzt perfekt, etwas anderes wäre auch komisch. Und “Hans im Glück” bekommt eine ganz andere Bedeutung. Denn an der Innenseite des Hemdes, wie er mir geheimnisvoll lächelnd zeigt, ist ein Kleeblatt gestickt. So etwas weckt sofort meine Begeisterung. Dieses Detail! Da muss man erst mal draufkommen. Dann hat man ein Hemd, das perfekt passt, mit handgenähten Details, und an der Innenseite der Manschette ist ein stilvoller Glücksbringer. Volle Punktzahl!
Zwei Männer, die wie Architekten aussehen, finden dass das vegane Tartare du Chef ganz schön gut gelungen scheint. Es hat Körner, Kapern und ist mit roter Beete gefärbt. Es ist auch lecker, versichere ich, und ob sie mal probieren wollen. Sie bedanken sich höflich, sie brauchen nur einen Espresso, haben schon gegessen. Ich vermute, sie wissen, wie rote Beete abfärbt und wollen nichts riskieren, sie haben schließlich einen Geschäftstermin dort an der Theke. Mit Espresso sind sie auf der sicheren Seite.
Wie sehen Architekten aus? Die Haare sind etwas länger und auf eine aufregende Art durcheinander. Sie haben eine markante Brille, die sie beim Sprechen hin und wieder mal abnehmen, sie gebrauchen die Hände beim Sprechen. Sie haben eine sportliche Figur und sind sehr smart angezogen. Sie schauen klug um sich, wie es halt Architekten tun.
“Was machen Sie beruflich?”
“Wir sind Architekten. Emanuel aus Basel, Thorsten aus Hamburg”. Ich nicke und denke:
Ich liebe Hamburg.
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